Ansichtskarten - Ansichtssachen

Halina Jaworski

 

Menschen unterwegs. Historisch gesehen: was bleibt einem nach einer Reise in Erinnerung? Es sind die Bilder, die man in sich trägt.

Es gibt da aber auch Bilder aus der Kindheit, Bilder von Orten, von Dingen und all den Sachen,  die um einem herum waren und immer noch sind.

Von einer Reise schickt man an die Lieben zu Hause Ansichtskarten von Orten, die man aufgesucht hat, von Architektur, außen und innen, von Erlebnisorten. Man sammelt die Ansichtskarten von unterwegs, aber auch die, die ankommen, von Freunden, Verwandten. Oft zeigen sie Orte oder Dinge, die man noch nie gesehen hat, und vielleicht auch nie sehen wird;  manchmal sind es Erinnerungen und manchmal Anregungen. 

So auch meine Ansichtskarten: sie sind Fotografien von Orten, Sachen, Erlebnissen, von innen und außen, von kleinen und großen Dingen um mich herum, Bilder, die ich in mir trage, aber auch Bilder, von denen ich sonst nie Notiz nahm, Bilder, die ich erst beim Fotografieren bemerkte oder die ich erst auf den Fotos sah.

Und dann sind da noch die Aquarelle: das sind Bilder, die ich vor-trage und zu Papier bringe. Diese Aquarelle werden dann mit den Fotografien collagiert. Dies geschieht auf eine Art, dass sie in sich ein Geheimnis tragen. Teile der aquarellierten Bilder werden durch die Fotos verdeckt, so dass nur ich weiß, was sich darunter verbirgt. Es entstehen Geheimnisse.

Als Kind habe ich oft mit meinen Freunden dieses gespielt: In die Erde wurde ein Loch gegraben, dann legten wir einige Gegenstände oder Blumen hinein und ein Stück Glas darauf und verdeckten es mit Erde. Dieses Spiel nannten wir »Geheimnisse«. 

Die »Ansichtskarten« haben einen stark autobiografischen Charakter, sie tragen viele Geheimnisse in sich, treten zu mehreren gleichzeitig auf, haben den Charakter eines Tagebuches,  und werden gezeigt wie Seiten aus einem Buch: neben- und untereinander, wie in einem Drehbuch kann man darin den Ablauf ablesen.

Ich glaube dass mir mit den »Ansichtskarten« ein sehr authentisches Stück meines Schaffens gelang. Denn, wollte ich mein künstlerisches Schaffen definieren, einen eigenen Kommentar verfassen, so könnte dadurch nur allzu sehr die Impression, die ich zu erwecken gedachte, simplifiziert, also verfälscht werden. Mein schöpferisches, gestaltendes Schaffen ist in meiner Poesie enthalten. Träume, Augenblicke, Gebärden, der Zustand, wo sich die Grenzen zwischen dem Erlebten und dem noch Unbekanntem, zwischen dem Bewussten, dem Weiten und Hellen, und der Dunkelheit des Unterbewussten verwischen. Die Präzision des Ausdrucks lässt schließlich die Gegensätzlichkeit verschwinden, es entsteht eine Einheit, ein Zustand der Verständigung. Man könnte auch sagen, dass ich nach Verständigung suche, nach einem Zustand der Harmonie, nach einer Einheit zweier Welten, der Inneren und der Äußeren. Dieses Schaffen hat mich zu meiner eigenen Metaphysik geführt.

In diesem Zeitalter der Spezialisierung will ich das Recht auf Naivität bewahren, will ich das Recht dazu haben, den »ersten  Blick« in diese Welt werfen zu können. 

In meinem Laboratorium der Phantasie entferne ich mich mit maximalem Bewusstsein und einem Risikogefühl von der alltäglichen Sprache, von herkömmlichen Vorstellungen, von den üblichen Gemütsbewegungen, und erlege mir eigene Horizonte und Perspektiven auf.

 

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