Zu den Arbeiten von Halina Jaworski

Ingrid Bachér, 1979

 

Da gibt es die alte Kinderfrage: »Kann Gott alles machen?« , und die Antwort; »Natürlich kann er es« wird durch die zweite dann folgende Frage: »Auch einen Stein, den Er selber nicht aufheben kann?« tatsächlich in eine Dimension gekippt, die das, was sich uns entzieht, andeutungsweise im Paradoxon umreißt. Etwas machen, das den Widerspruch beinhaltet, hat mit Schöpfung zu tun. Kunst belegt das.

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Das Große Buch der Liebe, 1977

Bei Halina Jaworski sind es Arbeiten, die immer wieder überraschend klar und ohne symbolische Beschwernis Konstellationen fixieren, die zwangsfrei sind. Sie verbindet Bilder und Worte, Gesten des Zeichens und vorfabrizierte »Starrheit, zum Beispiel Tesafilm, Schnüre oder Polaroidfotos, oder setzt Farbe in Weiß, das von seiner Natur her unendlich erscheint, auch wenn es begrenzt ist durch das Format. All das Ausgewählte von ihr zur Darstellung benutzte bringt die eigene Gesetzmäßigkeit mit ein, wird zusammengefügt in Analogie zum humanen Miteinandersein, nichts existiert allein, wird nicht manipuliert, sondern benutzt als Dokumentation dem Zweckhaften entbunden. Das Destruktive im Fertigen ist Ausgangspunkt jeder Arbeit. Auch die gelegentlich in die Arbeiten hineingeschriebenen Wörter haben diesen Status des Zweckfreien, Trivialen, sind da wie Signale, die sich nicht zerreden lassen. Sie weisen darauf hin, von welcher entscheidender Bedeutung für Halina Jaworski Sprache ist. Worte werden ohne visuelle Ausdeutung als Faktum für sich gesetzt, wobei es durchaus sein kann, daß sie im Verlauf der Arbeit später spielerisch durchgestrichen werden; so sind sie doch nicht aufgehoben, sondern eingearbeitet ins Ganze. Nichts dominiert, nichts ist im Detail dechiffrierbar, weder in den Bildern noch in den Objekten oder in den Büchern, weil alles insgesamt eine Aussage ist. Ein schwereloser und genauer Hinweis auf die Wahrheit der leicht zerstörbaren und doch beharrlichen Individualität des Menschen, die sich mit diesen Arbeiten behauptet. Es verbinden sich so selbst die auf den ersten Blick entgegengesetzten Arbeiten in der Aussage und durch die Behandlung des Materials, das stets als Spielmaterial eingesetzt wird. Spielen wird hier zum Prinzip einer künstlerischen Ausdrucksform, bezeugt menschliches Sein, verteidigt es gegen die Vorherrschaft der Dinge, die das Sein ins Haben pervertieren, gegen mechanische Ordnungen und Festlegung in Begriffen. Auch die Abfolgen verschiedener Arbeiten, die miteinander eine Sequenz bilden, weisen auf Spielregeln, die einmalige Vorläufe verbinden. Sie sind nicht konstruiert, sondern festgehalten mit der Bestimmtheit, mit der Würfel fällen - bevor sie wieder aufgehoben werden zum neuen Wurf. Sie haben so die unabdingbare Genauigkeit jeder Poesie, das flüchtig Erscheinende wird dauerhaft. Halina Jaworski wünscht bei vielen ihrer Arbeiten, daß man sie in die Hand nimmt, von Ort zu Ort trägt, auf- und zumacht und durchblättert, dann, so schreibt sie, »kann man ins Innere schauen, spürt man das Herz und kann spielen«

 

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