Der mehrfache Dialog

John Matheson, 1982

 

Mit ihrem Ausspruch: »Nichts existiert allein« meint Halina Jaworski, daß die Malerei nicht allein für sich spreche, sondern ein Zwiegespräch mit Partnern führe. Die Sprache ist für sie von großer Wichtigkeit. War früher das geschriebene Wort innerhalb ihrer Arbeit lesbar, so wurde es mit der Zeit zum Relikt, gelegentlich durchgestrichen und schließlich im Zuge der Reduktion ganz weggelassen.

Installation View, Ecksen, Kunstverein Gelsenkirchen, 1981

Installation View, Ecksen, Kunstverein Gelsenkirchen, 1981

Gleich wie Symbole und geometrische Zeichen, die ihrer Bedeutung entkleidet und auf die einfache banale Form reduziert wurden und durch die Umwandlung einen neuen Sinngehalt erhielten Für Halina Jaworski sind Worte keine Kommentare, sondern Tatsachen, wie Bilder Teile unseres Denkens sind und keine Illustrationen - Worte und Bilder, beides sind Fakten. So sind ihre Bücher oder ihre aufklappbaren Bilder zu verstehen, eine Abfolge von Gedanken. Selbst in der Weglassung der Sprache der Wortfetzen, der Buchstaben beinhalten die neuen Arbeiten von Halina Jaworski Sprache, denn die einzelnen Teile einer mehrteiligen Arbeit sind miteinander im Dialog. Wichtig in ihrer Arbeit isr, daß sich das Material der Form unterordnet, und diese wiederum die Farbe trägt, die in einem Rückkopplungsprozeß durch ihre Materialität die Form markiert. Halina Jaworski arbeitet spontan, aus der augenblicklichen Eingebung heraus an einer mehreckigen Form, die sie aus einer größeren »normalen« Form heraus schneidet, bis zu dem Moment, da die Form in sich selbst in ihrer Logik stimmt.

Zaungäste 1980, 205 x 120 cm, Acryl und Lack auf mehreckiger Leinwand

Installation Ecksen 1980

Installation Ecksen 1980

Diese intuitive, spontane Arbeitsweise beinhaltet auch, daß sie alles selber macht, das Sägen der Keilrahmen und das Bespannen mit der ungrundierten Leinwand. Diese wird mit einer der wenigen Farben, die sie überhaupt benutzt, bemalt. Dabei stimmt die Farbe immer mit der Grundform überein, erster Dialog: der zwischen Form und Farbe. Dieser Form gesellt sich eine zweite hinzu, die auf die gleiche Weise entstanden ist, zweiter Dialog: die beiden Formen kommunizieren miteinander. Dazu kommen eine weitere, eine vierte, eine fünfte usw. bis die Arbeiten zu einer Sequenz geworden sind, wobei sich jede Wandinstallation in ihrem Aussehen gegenüber einer anderen Wand verändert. Die vielen Formen sind miteinander im Gespräch: dritter Dialog; sie sprechen in Gruppen miteinander, zwei zu zwei oder eins zu drei, vierter Dialog, fünfter. Und doch haben sie nur eine Stimme, bei aller Unterschiedlichkeit im Aussehen: sechster Dialog. Dabei kommt es zu keinem Sich-aneinander-anpassen, zu gegenseitigem Rücksichtnehmen, denn die eigene Identität und Individualität jedes Teils einer Arbeit bleibt erhalten, wird betont, niemals aufgegeben. Ein Gleichnis entsteht: Kommunikation zweier Menschen miteinander, aber auch zweier Staaten zum Beispiel. Und schließlich ein weiterer Dialog: der zwischen der Künstlerin und ihren Werken mit uns, den Betrachtern.


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